Definition: Was versteht man unter einer „toxischen Beziehung“?
Toxisch ist ein Synonym für „giftig“. In einer toxischen Beziehung nimmt mindestens eine der beteiligten Personen seelisch oder sogar körperlich Schaden. Ursache ist meistens eine Kaskade von negativen Gefühlen, gegenseitigen Verletzungen, Schuldvorwürfen, Manipulationsversuchen und manchmal auch seelischer oder körperlicher Gewalt.
Der Begriff „toxische Beziehung“ wird oft im Kontext einer Partnerschaft verwandt. Die Bezeichnung kann sich aber auch auf innerfamiliäre Strukturen, Freundschaften oder Arbeitsverhältnisse beziehen.
Anzeichen: An welchen Merkmalen erkennt man eine toxische Beziehung?
Eigentlich sollten die Menschen, die uns nahestehen, und insbesondere der Partner oder die Partnerin unser Leben positiv bereichern. Sich einzugestehen, dass das nicht (mehr) so ist, kann extrem schwierig sein. Die gute Nachricht lautet: Selbst an einer toxischen Beziehung kann man arbeiten. An den folgenden Merkmalen erkennen Sie, ob es in Ihrem Fall Handlungsbedarf gibt:
- Unsicherheit durch sog. Doppelbotschaften
Ihr Partner verhält sich widersprüchlich. In einem Moment sagt er, dass er Sie liebt, in einem anderen kritisiert er Sie wegen Kleinigkeiten.
- Manipulation
Ihr Partner versucht Ihr Denken und Handeln gezielt zu steuern. Er macht andere Ihnen nahestehende Menschen schlecht und versucht Sie durch emotionale Erpressung zu kontrollieren.
- Gaslighting
Mit Lügen, Unterstellungen und Abstreiten bringt Ihr Gegenüber Sie so weit, dass Sie bereits an Ihrer eigenen Wahrnehmung zweifeln.
- Unberechenbarkeit
Sie werden immer vorsichtiger, weil Ihr Partner sich unberechenbar verhält. Sie wissen nie genau, wann und warum er das nächste Mal extrem wütend oder verzweifelt wird.
- Respektlosigkeit
Statt liebevolle Worte zu hören, müssen Sie sich in letzter Zeit immer öfter von Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin “heruntermachen” lassen. Manchmal wird er oder sie richtig beleidigend.
- Einseitigkeit
Sie haben das Gefühl, dass nur noch Sie selbst darum bemüht sind, Ihre Beziehung aufrechtzuerhalten und schöne gemeinsame Erlebnisse zu schaffen.
- Schuldumkehr
Ihr Partner versucht, Ihnen die Schuld für sein schlechtes Verhalten in die Schuhe zu schieben und stellt sich selbst als Ihr Opfer dar.
- Entfremdung
Manchmal haben Sie das Gefühl, Ihren Partner oder Ihre Partnerin gar nicht mehr wiederzuerkennen oder sich in ihm bzw. ihr völlig getäuscht zu haben. Sie verstehen sich sprichwörtlich nicht mehr.

Gibt es typische Sätze, die in toxischen Beziehungen fallen?
Tatsächlich gibt es einige Sätze, die in toxischen Beziehungen häufig fallen. Angenommen Sie beschweren sich bei Ihrem Partner über sein verletzendes Verhalten, wird er möglicherweise sagen:
- “Du übertreibst”
- “Du bist überempfindlich”
- “Du hast mich doch dazu gebracht und jetzt beschwerst du dich auch noch!”
Insbesondere die Täter-Opfer-Umkehr ist typisch für toxische Beziehungen. Ihr Partner oder Ihre Partnerin wird zum Beispiel auch behaupten:
- “Ich wollte das gar nicht, aber du hast mich so sehr provoziert”
- “Mein Verhalten in dieser Situation ist normal. Jeder würde so reagieren, wenn du dieses oder jenes falsch machst”
- “Ich wollte nur dein Bestes, aber das verstehst du nicht. “
Um Sie trotz seines schlechten Verhaltens an sich zu binden und Kontrolle auszuüben, wird Ihr Partner oder Ihre Partnerin Ihnen weismachen wollen:
- “Ohne mich wärst du gar nichts”
- “Deine Freunde / Familienmitglieder behandeln dich nicht gut”
- “Du findest doch niemand anderes mehr.”
Wenn es ganz schlimm kommt, wird er versuchen, Ihr Selbstwertgefühl zu vernichten und Sie zu brechen:
- “Du bist dumm / lächerlich”
- “Früher hast du besser ausgesehen”
- “Dir glaubt doch eh keiner”
Und unter Umständen könnte er Ihnen sogar richtig Angst machen:
- “Wag es nicht…”
- “Wenn du dich trennst, bringe ich mich um”
- “Ich mache dich fertig.”
Nicht immer sind toxische Beziehungen so extrem. Die Veränderungen sind oft eher schleichend, was zusätzlich erschwert, sich der Lage bewusst zu werden und sich aus einer toxischen Beziehung zu befreien.
Wichtig ist es, anzufangen, das Verhalten des Partners bzw. Ihrer Partnerin zu hinterfragen und sich Hilfe bei anderen Menschen zu suchen. Das können Familie, Freunde, Kollegen oder auch ein Paartherapeut sein – entscheidend ist: Holen Sie sich die Kontrolle über Ihr Leben zurück und bleiben Sie nicht allein!
Online-TerminbuchungWas ist typisch für toxische Menschen?
Zunächst einmal sollten wir die Frage stellen: Gibt es toxische Menschen überhaupt? Gibt es Personen, die böse sind – und die quasi jeder Person, mit der sie zusammen sind, früher oder später Schaden zufügen würden?
Die Antwort lautet: Leider ja! Aber solche Menschen sind relativ selten. Wie Niels Birbaumer, Professor für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen im Interview mit der Zeitschrift FOCUS berichtet hat, leben etwa 500.000 Psychopathen in Deutschland. Etwa die Hälfte landet irgendwann im Gefängnis, die andere Hälfte kommt relativ gut zurecht und gelangt mitunter sogar in gesellschaftliche Führungspositionen. Gemeinsam ist diesen Menschen, dass sie sich oft schon in Kindertagen auffällig verhalten haben. Sie empfinden wenig Furcht, wenig Mitgefühl für ihr Gegenüber und verfolgen ihre Ziele skrupellos.
Abseits solcher extremen Fälle gibt es natürlich zahlreiche weitere Störungen, die dazu führen können, dass Betroffene sich in einer Liebesbeziehung kontraproduktiv verhalten oder möglicherweise komplett beziehungsunfähig sind. Dazu zählen manche Menschen mit Autismus oder Borderline-Syndrom, Choleriker, Narzissten sowie besonders dominante oder egoistische Charaktere.
Wichtig ist es allerdings, im Blick zu behalten, dass die Welt nicht schwarz und weiß ist. Wir alle haben z. B. narzisstische Persönlichkeitsanteile in uns, können unter Gefühlsschwankungen leiden oder verhalten uns in manchen Situationen egoistisch. Das bedeutet nicht, dass wir keine Beziehungen führen können.
Menschen mit Autismus sind zum Beispiel oftmals in der Lage, liebevolle und besonders ehrliche sowie zuverlässige Partner zu sein. Choleriker können ihre Wut in den Griff bekommen, wenn sie richtig bereit sind, ihre Probleme zu erkennen und wirklich an sich zu arbeiten. Insofern gibt es ganz viele Fälle, in denen Hoffnung auf Veränderungen besteht.
Mitunter zeigt ein Gespräch beim Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin auch, dass aufgrund von toxischen Glaubenssätzen, Verhaltensmustern oder Kommunikationsproblemen eine toxische Beziehung zwischen zwei Menschen entsteht.
Online-TerminbuchungWie verläuft eine toxische Beziehung?
Tatsächlich gibt es bestimmte Muster, die sich in toxischen Beziehungen wiederholen. Oft gleichen solche Partnerschaften einer regelrechten Achterbahnfahrt, die am Anfang wunderschön ist, bis es irgendwann nur noch abwärts geht.
Phase 1: Sie idealisieren sich gegenseitig
In dieser Phase haben Sie möglicherweise das Gefühl, den perfekten Partner gefunden zu haben. Endlich ist da jemand, der Sie wirklich versteht und genau so toll findet, wie Sie sind. Alles geht total schnell und fühlt sich extrem intensiv an. Ihr Partner betreibt regelrechtes „Love Bombing“, Sie werden mit Liebesbekundungen überhäuft.
Phase 2: Die Stimmung kippt
Nach wenigen Monaten oder auch nur Wochen verhält sich Ihr Partner plötzlich anders. Der Anlass dafür kann nichtig sein: Vielleicht haben Sie ihn kritisiert. Oder Sie wollen mal einen Abend ohne ihn verbringen. In dieser Situation rastet Ihr Partner plötzlich aus. Wird laut, schweigt Sie tagelang an, diskreditiert Menschen aus Ihrer Familie oder Freunde, die Ihnen wichtig sind, oder Sie selbst.
Phase 3: Die Gefühlsachterbahn beginnt.
Noch haben Sie viele schöne Tage. Aber die Konflikte nehmen zu. Möglicherweise entschuldigt sich Ihr Partner nach Situationen, in denen er Sie schlecht behandelt hat, überschwänglich und Sie haben danach wieder eine wunderbare Zeit. Gleichzeitig geraten Sie immer mehr in emotionale Abhängigkeit. Andere Beziehungen und der Job leiden, weil Sie völlig beschäftigt mit der Bewältigung der Verhaltensweisen Ihres Partners sind.
Phase 4: Sie geraten in einen Abwärtsstrudel.
Langsam merken Sie, dass Ihnen die Beziehung nicht mehr guttut. Das unberechenbare und oft auch unfaire Verhalten Ihres Partners stresst Sie und kratzt an Ihrem Selbstwertgefühl. Vielleicht kommt es jetzt sogar zu verbaler und physischer Gewalt. Ihre Gedanken kreisen ständig um die Beziehung und die nächste mögliche Eskalation. Vielleicht haben Sie schon körperliche Symptome: Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder ein generelles Gefühl von Anspannung, wenn Ihr Partner in der Nähe ist.
Phase 5: Trennung
Um dem Missbrauch und der Manipulation zu entgehen, schaffen Sie es endlich, sich zu trennen – vielleicht sogar, obwohl Sie Ihren Partner noch lieben. Aber Sie merken, dass Sie gemeinsam untergehen werden, wenn Sie einfach so weitermachen. Viele Paare führen nach dieser Zeit eine On-Off-Beziehung, weil sie es nicht schaffen, richtig voneinander loszukommen. In Hinblick auf Ihre körperliche und seelische Gesundheit ist es aber ratsam, konsequent zu sein – oder wirklich an der Beziehung zu arbeiten, zum Beispiel in einer Paartherapie.
Warum ist der Begriff “toxisch” so in Mode gekommen?
Noch vor wenigen Jahrzehnten war es ein Tabu, offen über das Thema seelische Gesundheit und problematische Dynamiken in Beziehungen oder Familien zu sprechen. Insbesondere die Kriegs- und Nachkriegsgeneration sind in Zeiten aufgewachsen, in denen Gefühle kaum ein Thema waren. Es ging schlicht ums Überleben und nicht um Empfindungen. Das hat sich zum Glück geändert.
Immer mehr Betroffene setzen sich heute ganz bewusst mit ihren Gefühlen auseinander und suchen nach Worten für das, was in ihren Beziehungen passiert. Das gilt übrigens auch für Mutter-Sohn-, Vater-Tochter-, und Eltern-Kind-Beziehungen im Allgemeinen. Durch den Austausch im Internet und insbesondere durch die sozialen Medien hat sich dieser Effekt noch verstärkt.
Das Wort „toxisch“ ist sehr prägnant und scheint einen Nerv zu treffen, wenn es um Beziehungen geht, in denen es zu schädlichem Verhalten, Herabwürdigung, Missbrauch und Manipulation kommt. Wichtig ist aber, nicht allein darin zu verharren, einer Beziehung oder einem Menschen die Definition „toxisch“ zu geben.
Erst wenn wir differenziert schauen, was falsch läuft und was wir selbst tun können, um uns aus toxischen Beziehungen zu befreien, haben wir die Chance auf Veränderung, Wandel und gesunde Beziehungen mit Liebe, Verständnis und Respekt.
Online-TerminbuchungErstellungsdatum:
02.04.2025
Autor:
Markus Breitenberger, Paartherapeut in München seit mehr als 25 Jahren
Quellen:
FOCUS Online (2013): Erfolgreiche Manager sind oft Psychopathen. Online verfügbar unter: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/krankheitenstoerungen/best-of-playboy-psychopathen-test-das-tier-in-mir_id_2734493.html, Zugriff: 04.04.2025.